Deutsch-Polnisch-Russisches Forum „Wandel in Erinnerung“: Die 90er in Filmen und Diskussionen

Freiheitsgewinn oder Zusammenbruch, Trauma oder die Erfüllung eines Traumes: 25 Jahre Wiedervereinigung geben Anlass, einen Blick auf die Zeit nach Perestroika, Solidarność und Mauerfall zu werfen. Die Erinnerung an die 1990er Jahre könnte dabei in Deutschland, Polen und Russland unterschiedlicher kaum sein. Das Deutsch-Polnisch-Russische Forum „Wandel in Erinnerung“ (4. – 11. November 2015 in Cottbus, Zielona Góra und Dresden) hinterfragt im Rahmen des FilmFestival Cottbus, wie diese Erinnerung unsere Wahrnehmung der Gegenwart und aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen prägt.

„Was haben Umbruch und Transformation in der Gesellschaft Deutschlands, Polens und Russlands ausgelöst, wie wirken sie bis heute nach? Welche Unterschiede gibt es in den drei Ländern, welche Gemeinsamkeiten? Welche Folgen ergeben sich dadurch für den heutigen und vor allem auch den zukünftigen gesellschaftspolitischen Dialog?“, fasst Projektleiterin Cornelia Reichel die Kernfragen zusammen, die bei diesem heutzutage leider außergewöhnlichen Dialog diskutiert werden. Das Deutsch-Polnisch-Russische Forum „Wandel in Erinnerung“ beleuchtet vom 4.-11. November 2015 die Wende- und Nachwendezeit in (Ost-)Deutschland, Polen und Russland, mit einem Kulturprogramm und begleitenden Diskussionen in Cottbus, Zielona Góra und Dresden.

Den Start des Cottbuser Programms macht am 4. November 17 Uhr die Eröffnung der Ausstellung „Lenin. Rethinking the Image“. 30 Jahre nach dem Beginn der Perestroika untersuchte ein deutsch-polnisch-russischer Multimedia-Wettbewerb, der im Februar 2015 in Lenins Geburtsstadt Uljanowsk ausgerufen wurde, das aktuelle Bild des Gründers der Sowjetunion. Da die geplante Ausstellung aufgrund politischer Bedenken in Uljanowsk nie gezeigt werden konnte, erblicken die besten Beiträge des Wettbewerbs beim FilmFestival Cottbus erstmals das Licht der Öffentlichkeit. Zur Eröffnung werden auch Teilnehmer des Wettbewerbs, unter anderem der Wettbewerbssieger Wadim Leuchin aus St. Petersburg mit seinem Beitrag „Lenin online“ aus der Kategorie Videokunst, erwartet. Der Präsident der Wettbewerbsjury, der russische Filmkritiker Kirill Raslogow, sowie die Initiatorin des Wettbewerbs, die Direktorin des „Neuen Instituts für Kulturwissenschaften“ Nina Kotscheljajewa, führen in die Ausstellung ein.

Im Filmprogramm am 5. November ab 10 Uhr stehen deutsche, polnische und russische Beiträge aus den 90ern neben aktuellen Produktionen, Zeitzeugenperspektiven neben dem Blick der Nachgeborenen. In OSTKREUZ (Deutschland 1990) zeichnet Michael Klier ein authentisches Bild von Berlin kurz vor der Maueröffnung 1989. Der actiongeladene polnische Kultfilm HUNDE (PSY, Polen 1992) zeigt den Kampf zwischen ehemaligen Staatssicherheitsbeamten, die sich nun als Feinde gegenüberstehen. In Dmitry Astrachans Komödie ALLES WIRD GUT (WSJO BUDJET CHOROSCHO, Russland 1995) offenbart eine Dreiecksgeschichte auf charmante Art und Weise die großen sozialen Gegensätze im Russland der 90er Jahre. BLINDEKUH (ZHMURKI, Russland 2005) vom Meister der Provokation Alexandr Balabanow wiederum erzählt die Geschichte der wilden 90er mit einer außerordentlichen Portion schwarzen Humors. Das Programm beschließt der polnische Publikumshit DISCO POLO von Maciej Bochniak, der mit einer durchgeknallten Persiflage auf die Musikindustrie dieser Zeit aufwartet. Im Anschluss an die Vorführungen stehen Filmgäste für Publikumsgespräche zur Verfügung.

Zwischen den Filmen, von 17.30 bis 19.30 Uhr, geht die Podiumsdiskussion „Die 90er in Deutschland, Polen und Russland – Von der Erinnerung in die Zukunft“ mit politischen Akteuren der Vor- und Nachwendezeit aus den drei Ländern dem Thema weiter auf den Grund: Die ehemalige Stasi-Unterlagen-Beauftragte Marianne Birthler, die in der DDR als Bürgerrechtlerin aktiv war und Anfang der 90er als Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg die ersten politischen Erfahrungen im vereinten Deutschland sammelte, diskutiert mit dem ehemaligen russischen Wirtschaftsminister Andrej Netschajew und mit Czesław Fiedorowicz, dem Vorsitzenden des Sejmik der Wojewodschaft Lubuskie sowie Mitbegründer und Präsidenten der Euroregion Spree-Neiße-Bober. Moderiert wird die Veranstaltung von Robert Baag, Deutschlandfunk-Redakteur der Abteilung „Hintergrund“ und langjähriger Korrespondent in Polen und Russland.

Nach dem zweitägigen Programm in Cottbus zieht die Filmauswahl weiter nach Zielona Góra und Dresden. In Dresden widmet sich das Programm auch der spezifisch Dresdner Erinnerungskultur.

Das Cottbuser Programm wird vom FilmFestival Cottbus und MitOst e.V. veranstaltet, und von der Robert Bosch Stiftung und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit gefördert.